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Arnold Jung und Christian Staimer gründen am 13. Februar 1885 die Jung´sche Lokomotivfabrik unter der Bezeichnung "Jung & Staimer OHG". Die Fertigung von Dampflokomotiven wurde in einer ehemaligen Kunstwollspinnerei bei Kirchen/Sieg aufgenommen. Noch im selben Jahr verlässt laut Lieferbuch am 3. September die erste Lok das Werk, eine 12 PS starke normalspurige Dampflok für die Zuckerfabrik Dennin mit der Fabriknummer 3. Die in anderen Quellen genannte, am 10. Oktober 1885 gelieferte 700 mm-Feldbahnlok für den Kieler Bauunternehmer Schlüter, trägt zwar die Fabriknummer 1, ist aber die zweite ausgelieferte Maschine. Besonders solche Feldbahnlokomotiven gehen in den folgenden Jahren zum größten Teil an Händler wie Orenstein & Koppel in Berlin und Fritz Marti in Winterthur. Die Lokomotiven mußten mit einem Pferdefuhrwerk bzw. über transportable Gleise zum Bahnhof Kirchen gebracht werden, erst mit der Eröffnung der Nebenbahnstrecke ins Asdorftal 1887 erhält auch die Lokfabrik ein Anschlußgleis.
Nach dem Tod Arnold Jungs 1911 wird das Unternehmen 1913 in eine GmbH umgewandelt, der Firmenname wird in "Arnold Jung Lokomotivfabrik GmbH, Jungenthal" geändert. In den 1920er Jahren nimmt man den Bau von Motorlokomotiven auf, auch Akku- und Preßluft-Grubenlokomotiven werden jetzt gebaut. Da Jung unabhängig von den Aufträgen der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft ist, Jung gehört nicht zu den "Quoten-Fabriken", übersteht das Unternehmen auch die Krisenjahre Ende der 1920er, die für viele andere Lokomotivfabriken das Aus bringen. Auch das Ende des Lokomotivbaus ebenso wie die Auflösung des Unternehmens verlaufen unspektakulär und immer ohne wirtschaftliche Zwänge. Jung zog sich 1976 aus dem Schienfahrzeugmarkt zurück, um sich auf mittlerweile wichtigere Jung-Produkte wie z.B. Werkzeugmaschinen, Transportwagen, Panzerplatten, Kräne und Brückenausleger zu konzentrieren. Dazu gehörten auch Grubenlokomotiven, die man noch bis 1987 für Gruben, überwiegend in Polen, baute. Im Sommer 1993 wird das Werk geschlossen, das Inventar versteigert und die Hallen vermietet. Das Unternehmen war nicht vom Konkurs oder Vergleich bedroht, es handelte sich um eine freiwillige Versteigerung, da der Eigentümer, salop gesagt, "nicht mehr wollte". Die offizielle Schließung erfolgte zum 30. September 1993, ein Teil des Firmengeländes wird jetzt von anderen Unternehmen genutzt. Die Jung-Jungenthal GmbH besteht jedoch weiterhin unter dem Namen "Jungenthal Systemtechnik GmbH". Allerdings beschäftigt man sich nicht mehr mit dem Lokbau.
Neben Feldbahn-Dampflokomotiven beliefert Jung ab 1897 die Preußische Staatsbahn mit Lokomotiven der Bauart preuß. T 3, G 8.1, G 8.2 und T 9.3. Es folgen die Tenderlok-Baureihen 64 und 80 und die Baureihe 41 für die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft. Im II. Weltkrieg wird die Baureihe 50 bzw. 52 gebaut. Für die DB wurde die Baureihe 23 gefertigt, u.a. auch die letzte Neubaudampflok der DB, die 23 105. Daneben entstanden auch Dieselloks für die Staatsbahn, so die Rangierlokomotiven Kö I bis Köf III bzw. Baureihe 333 und die V 60, sowie die Streckenlokomotiven V 100 und V 90.
Der größte Teil der gelieferten Fahrzeuge ging aber an Privat- und Werkbahnen im In- und Ausland. Maschinen mit den unterschiedlichsten Spurweiten und Achsfolgen, auch Zahnradloks sind darunter. Unzählige (im wahrsten Sinn des Wortes, da im Lieferbuch nicht vermerkt!) Motorlokomotiven für Feld-, Gruben- und Werkbahnen entstehen. Zu den bekanntesten gehört die Preßluftlok Typ "Troll" und die Feldbahn-Diesellok Typ "EL 105". Auch nach dem II. Weltkrieg werden bis in die 1960er Jahre viele Gruben- und Feldbahnloks gebaut. Die Dampflokproduktion endet erst 1964, noch 1970 wird eine Dampfspeicherlok geliefert.
Neben den bis 1987 gebauten Druckluft-Grubenlokomotiven betrieb man in den 1980er Jahren auch noch Lokhandel und Aufarbeitung von Lokomotiven. Wenige Tage vor der Betriebsschließung waren in einer Halle noch vier neue Rahmen für Druckluftlokomotiven zu sehen, in einer Ecke standen mehrere zweiachsige, gebrauchte Akkuloks mit Mittelführerstand. Eine generalüberholte Druckluftlok und eine fabrikneue Akkulok des Typs EZ 21 vervollständigten die Sammlung.
Das Lieferbuch enthält große Lücken, die zur "Einzählung gebauter Motoren" dienten. Eingezählt wurden zum größten Teil hier Feldbahn-Motorlokomotiven, die auf Karteikarten separat geführt wurden. Leider fehlen bisher die Karteikarten der Lieferungen nach 1945, aber dies bedeutet nur, daß der Empfänger unbekannt ist. Die Anzahl der (z.T. auf Vorrat) gebauten Fahrzeuge geht mittlerweile aus den vorliegenden Unterlagen hervor. So sind etwas über 12800 Lokomotiven geliefert worden, darunter knapp über 1000 Preßluft-Grubenlokomotiven, um 650 elektrische Lokomotiven und ca. 4600 Dampflokomotiven (einschließlich Feuerlose). Die größte Anzahl entfällt auf Diesellokomotiven, von denen man fast 6500 Stück baute. Die letzte Lok wurde im Mai 1987 unter der Fabriknummer 14.286 ausgeliefert:
Stückzahl | Bemerkung |
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14.286 | höchste vergebene Fabriknummer | 1 | Doppelbelegung (FNr. 12260) |
-991 | Kessel |
-108 | Tender |
-7 | sonstiges (Aggregate, Ersatzmotor) |
-287 | Straßenwalze und Straßenfahrzeuge |
-29 | frei, nicht belegt |
-88 | nicht geliefert/storniert |
-9 | nicht bekannt/nachweisbar |
12.777 | von Jung nachweislich gebaute Lokomotiven |
Ein großer Teil der Kessel war übrigens nicht für Lokomotiven, sondern für Straßenwalzen und Lokomobile bestimmt. Mitgezählt wurden als Lokomotivlieferung auch Fahrgestelle für Grubenlokomotiven, da hier nur die Akkumulatoren oder die Preßluftflaschen von anderen Herstellern stammen. Auch die Zweiwege-Fahrzeuge sind hier als Lokomotiven mitgezählt.
Alle Konstruktionspläne der Dampflokomotiven und die vielen Negative der Werkaufnahmen sind in privatem Besitz bzw. in einem Archiv erhalten geblieben. Die originalen Lieferbücher befinden sich ebenfalls in Privatbesitz im Siegerland. Weitere Unterlagen sollen sich "gerüchteweise" im Besitz mehrere Personen verteilt in ganz Deutschland befinden. Dazu zählte auch eine umfangreiche Karteikartensammlung mit Angaben zu den Motor- und Druckluftlokomotiven, die ein Privatmann noch Anfang der 1990er vor dem Weg in´s Altpapier retten konnte und mittlerweile zur Auswertung zur Verfügung stellte. Mit dem Erscheinen der Chronik über die Firma Jung in zwei Bänden (Gerhard Moll und Stefan Lauscher) 2014 sind alle verfügbaren Lieferdaten veröffentlicht.
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