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Zwar hat(te) Deutschland, wie kaum ein anderes Land, zahlreiche Lokomotivfabriken, um die eigenen Bedarfe an Schienenfahrzeugen zu decken. Dennoch wurden auch Lokomotiven von ausländischen Herstellern importiert. Die Gründe dafür waren unterschiedlich, so lassen sich vier Epochen der Importe beschreiben:
2. Zwangs-Importe der okkupierten Lokomotivfabriken (1939 - 1945)
3. Die Lieferungen der "Brüderländer" und des "Klassenfeindes" (1957-1992)
4. Neue Eisenbahnverkehrsunternehmen ordern im Ausland (1993-heute)
Nicht betrachtet werden hier die "Importe gebrauchter Lokomotiven" (u.a. NOHAB), diese werden ggf. in einer späteren Version der Lieferdateien brücksichtigt.
1. Die ersten Lokomotiven sind Importe (1835-1900 - rund 830 importierte Lokomotiven)
Als um 1835 sich die ersten Bahngesellschaft im Gebiet des heutigen Deutschlands gründeten, gab es noch keine eigenen Lokomotivfabriken und die ersten Dampflokomotiven mussten aus dem Ausland importiert werden. Die wohl bekannteste Lok ist da sicher die 1835 aus England gelieferte Lok "ADLER" für die 1835 eröffnete Ludwigseisenbahn Nürnberg-Fürth. Bis 1845 sind dann insgesamt rund 220 Lokomotiven importiert worden, zu diesem Zeitpunkt haben aber auch schon die ersten inländischen Hersteller, u.a. Kessler (später Maschinenfabrik Karlsruhe), Borsig und Maffei, die Lokomotivproduktion aufgenommen und deren Jahresproduktion übersteigt nun die Anzahl der importierten Lokomotiven. Und schon fünf Jahre später, nachdem rund 370 Lokomotiven eingeführt wurden, macht die heimische Industrie die Importe überflüssig.
Ausgewählte Lieferleistungen von 1835 bis 1850:
Es folgen danach nur noch, zur inländischen Produktion vergleichsweise geringe Importe. Eine Ausnahme bilden kurzzeitig Lieferungen von 1871 bis 1874, bei denen u.a. an die Cöln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft (50 Lokomotiven), die Bergisch-Märkische Eisenbahngesellschaft (28 Lokomotiven) und die Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn (20 Lokomotiven) aus dem Ausland erhalten. Es werden in diesem kurzen Zeitraum nachweislich insgesamt 282 Lokomotiven importiert. Dies bleibt aber eine Ausnahme und so kann z.B. die Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM), Winterthur, von 1879 bis 1900 die Nachfrage nach sehr speziellen Bauarten decken und liefert insgesamt 44 Tramway- und Zahnradlokomotiven.
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2. Zwangs-Importe der okkupierten Lokomotivfabriken (1939-1945 - rund 5500 "importierte" Lokomotiven)
Die nächsten Importe gibt es zwangsweise unter der Besetzung durch Deutschland ab 1939 bis 1945. In insgesamt 22 okkupierten Lokomotivfabriken in Belgien, Frankreich, Niederlande, Polen, Tschechoslowakei, Jugoslawien, Dänemark und Österreich werden unter deutscher Besatzung rund 5500 Lokomotiven, vorrangig für die Deckung der Kriegsbedarfe, geliefert. Siehe hierzu auch die gesonderte Auflistung zum Lokomotivbau unter deutscher Besetzung.
3. Die Lieferungen der "Bruderländer" und des "Klassenfeindes" (1957-1992 - rund 1880 importierte Lokomotiven)
In den ersten Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gibt es keine nennenswerten Importe von Lokomotiven. Erst 1957 beginnt die Ceskomoravská-Kolben-Danek (CKD) mit der Lieferung von kleinen Rangierdiesellokomotiven Typ BN 150 an die Deutsche Demokratische Republik (DDR). Bis 1962 sind es immerhin 73 Maschinen, deren einzelne Einsätze bei den jeweiligen Werkbahnen hingegen bisher leider nicht im Detail bekannt sind. Es folgen die dreiachsigen CN 400, von denen bis 1966 derzeit 71 Exemplare als Importe in die DDR bekannt sind. An die DR der DDR liefert CKD 1962 insgesamt 20 B'B'-de Lokomotiven Typ T 435.0, welche als Baureihe V 75 (später BR 107) eingereiht werden. Weitere 16 Maschinen dieses Typs gehen an Werkbahnen in der DDR.
Daran anschließend beginnen 1966 die Importe von diesel-elektrischen Großdiesellokomotiven aus der UdSSR. Die DDR-eigene Lokomotivindustrie, der Lokomotivbau Karl-Marx (LKM) und der Lokomotivbau Elektrotechnische Werke "Hans Beimler" (LEW), sind aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage, solche Lokomotiven im benötigten Umfang zu produzieren, so daß die überaus umfangreichen Loklieferungen vom Diesellokomotivwerk Oktoberrevolution Lugansk (LTS), Woroschilowgrad - Luganskteplovoz übernommen werden. Geliefert/importiert wurden bis 1982 insgesamt 1251 dieselelektrische Drehgestell-Lokomotiven:
Der DDR-eigene LKM fertigt parallel dazu bis 1976 noch die dieselhydraulischen Streckendiesellokomotiven, dann wird auch diese Fertigung zugunsten der Importe umgestellt. Zum einen war der LKM nicht in der Lage, diese Lokomotiven im benötigten Umfang zu produzieren, zum anderen nutzte man die so beim LKM frei gewordenen Kapazitäten zur Produktion von Kältegeräte. Die Lokomotivfabrik 23. August (FAUR), Bukarest / Rumänien, liefert ab 1977 die dieselhydraulischen Drehgestell-Lokomotiven vom Typ LDH 240, welche bei der DR als Baureihe 119 eingereiht werden. Insgesamt 194 Maschinen umfasst die Serie bis 1985. Es sei am Rande noch erwähnt, dass FAUR 1990 noch vier Lokomotiven an Werkbahnen geliefert hat.
Da der LKM 1976 auch die Produktion der V22B-Rangierdiesellokomotiven aufgibt, werden ab 1977 vom Kalugaer Maschinen-Werk, Kaluga / UdSSR, die Kaluga Type TGK 2-E importiert. Bis zur "politischen Wende" in der DDR 1989 sind offensichtlich 184 Maschinen an Werkbahnen geliefert worden. Fasst man alle Importe aus den "Bruderländern" zusammen, so wurden knapp über 1800 Lokomotiven von 1957 bis 1989 in die DDR importiert. Nicht betrachten werden hier letztendlich die Importe von Feldbahndiesellokomotiven von CKD und UNIO, da die Quellenlage zu diesen Lieferungen leider bisher sehr unvollständig ist und keine konkreten Zahlen über die gelieferten Maschinen vorliegen.
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Die Bundesrepublik Deutschland (BRD) hingegen importiert nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1989 nur sehr wenige Lokomotiven. Die französische Société Anonyme Moyse, La Courneuve, liefert von 1957 bis 1978 kleine, meist diesel-elektrische Rangierlokomotiven für Werkbahnen. Die Elsässische Maschinenbau Gesellschaft (SACM) baut 1956 zehn zweiachsige Rangierdiesellokomotiven für die DB (Baureihe V 45 bzw. BR 245), 1962 werden vier dreiachsige und eine zweiachsige SACM-Rangierdiesellok in die DDR geliefert. Auch SLM gelingt aufgrund der Spezialisierung auf Zahnradfahrzeuge die Lieferung von vier Zahnradtriebwagen an die Bayerische Zugspitzbahn und zwei Triebwagen an die Wendelsteinbahn.
Es gab im Übrigen auch "innerdeutsche Importe", sprich Lieferungen von der DDR in die BRD und umgekehrt. So lieferte der Lokomotivbau Karl Marx (LKM) eine N 4 und V 10 B an die Howaldtswerke Deutsche Werft AG in Hamburg. Diverse Feldbahn-Diesellokomotiven von Jung gelangten im Gegenzug in die DDR, je eine Lieferung einer SCHÖMA- und Diema-Feldbahnlok sind ebenfalls zu verzeichnen. Ebenso wurden Zweiwege-Einrichtungen und auch komplette Zweiwege-Fahrzeuge auf Unimog-Basis in die DDR geliefert. Bekannt sind desweiteren Vollert-Rangierroboter in der DDR.
Noch vor der Wiedervereinigung von DDR und BRD hatte die DR für den grenzüberschreitenden Verkehr auf der Relation Dresden–Prag noch 20 Zweisystemlokomotiven bei der Firma Skoda bestellt. Nach dem 1988 gelieferten Prototyp werden 1991 weitere 19 Maschinen als DR Baureihe 230 in Dienst gestellt. Bei der DB AG erhalten diese Maschinen 1994 die Baureihenbezeichnung 180.
4. Neue Eisenbahnverkehrsunternehmen ordern im Ausland (1993-heute - bis 2025 rund 240 importierte Lokomotiven)
Die vierte (heutige) Phase der Importe stellt sich mit der Liberalisierung der Bahn in Deutschland Ende der 1990er Jahre ein. Die neu entstandenen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) entscheiden sich zum Teil gegen die noch in Deutschland verbliebenen Lokhersteller und ordern so z.B. bei General Motors GM - Electro-Motive Division EMD (GM-EMD) die Class 66, eine dieselelektrische Streckenlokomotive. Neben fabrikneu gelieferten Lokomotiven gelangen auch gebrauchte Class 66 nach Deutschland. Auch DB Cargo kauft diese Importlokomotiven, 30 Stück für Deutschland erhalten dabei die Baureihe 266.
Auch die DB AG vergibt eine Serie von sechs Strecken-Elektrolokomotiven an Skoda, die 2015/16 gebauten Lokomotiven gehen 2019/20 als Baureihe 102 in Betrieb.
Weitere umfangreiche Importe gibt es seit 2017 durch Stadler Rail, Werk Valencia in Spanien. Hier fertigt man die "EURO DUAL", eine sechsachsige Schwerlast-Hybridlokomotive für den Einsatz auf elektrifizierten und nicht-elektrifizierten Strecken. Bis 2025 haben Captrain, hvle, ITL und weitere EVU und Leasingunternehmen in Deutschland zusammen bereits 100 Maschinen erhalten. Und auch von der "EURO 9000" als Hybrid-Mehrsystemlokomotiven für den europaweiten Einsatz, die als Weiterentwicklung der "Euro Dual" ab 2020 gefertigt wird, sind bis Ende 2024 schon 18 Maschinen nach Deutschland geliefert worden.
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Class 66 | EURO DUAL |
Bei den Triebwagen können die Jenbacher Werke einen, der ÖBB Bauart 5047 baugleichen Triebwagen an die Nordfriesische Verkehrsbetriebe AG (NVAG) und 17 Triebwagen vom bei Jenbacher entwickelten Typ Integral an die Bayerische Oberlandbahn (BOB) verkaufen. Die Stadler Rail AG, Bussnang / Schweiz, liefert 2006 vier Zahnradtriebwagen an die Zugspitzbahn. Eine Zahnradlok folgt 2016, die Wendelsteinbahn erhält 2021 von Stadler eine Zahnradlokomotive.
Weitere Importe gibt es im geringeren Umfang bei Spezialfahrzeugen, hier sind u.a. die Zweiwege-Lokomotiven von Zephir (Italien) und MOL (Niederlande) zu nennen. Sowie vier von der DB AG für die Hamburger S-Bahn vom chinesischen Hersteller China Railway Rolling Stock Corporation (CRRC) beschaffte dieselelektrische Drehgestelllokomotiven für den Werkstattverkehr.
Fazit
Von 1835 bis 2025 sind derzeit rund 8800 importierte Lokomotiven zu verzeichnen. Eine Zahl, die im Vergleich zu den in diesem Zeitraum in Deutschland gebauten ca. 280.000 Lokomotiven lediglich 3 % ausmacht und so scheinbar unbedeutend ist für die Geschichte der Eisenbahn in Deutschland. Dem ist allerdings bei weitem nicht so, denn diese Importe waren zur jeweiligen Epoche sehr wichtig: In der Anfangszeit ab 1835 alternativlos, im Zweiten Weltkrieg als Entlastung der "heimischen Industrie" durchaus kriegswichtig und nur durch Lokomotivimporte konnte der Bahnverkehr in der DDR aufrecht gehalten werden.
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